Anämie, auch Blutarmut genannt, beschreibt einen Zustand, bei dem das Blut nicht genügend rote Blutkörperchen oder Hämoglobin enthält, um den Sauerstoffbedarf des Körpers ausreichend zu decken. Dadurch wird der Sauerstofftransport in die Zellen eingeschränkt, was sich negativ auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirken kann.
Ein Mangel an Hämoglobin oder Erythrozyten kann unterschiedliche Ursachen haben. Anämie ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern ein Hinweis auf ein bestehendes Ungleichgewicht im Körper. Die genaue Ursache sollte immer medizinisch abgeklärt werden, da eine frühzeitige Diagnose für die gezielte Behandlung entscheidend ist.
In der medizinischen Praxis lässt sich eine Anämie in der Regel durch eine Blutuntersuchung feststellen, bei der insbesondere der Hämoglobinwert und die Konzentration der roten Blutkörperchen bewertet werden.
Es gibt zahlreiche Formender Anämie, die sich nach Grösse, Aussehen und Hämoglobingehalt der roten Blutkörperchen sowie nach ihrem Entstehungsmechanismus unterscheiden.
Eine gängige Klassifikation basiert auf der Zellgrösse und dem Hämoglobingehalt: bei der mikrozytären, hypochromenAnämie sind die Erythrozyten kleiner als normal und enthalten zu wenig Hämoglobin – ein typisches Beispiel hierfür ist die Eisenmangelanämie. Die makrozytäre Anämie ist hingegen durch vergrösserte rote Blutkörperchen mit einem erhöhten mittleren Hämoglobingehalt pro Zelle (MCH) gekennzeichnet, wie es etwa bei einem Mangel an Folsäure oder Vitamin B12 der Fall ist. Bei der normozytären, normochromen Anämie haben die Erythrozyten eine normale Grösse und Färbung, jedoch ist ihre Gesamtzahl reduziert, beispielsweise nach akutem Blutverlust.
Darüber hinaus existieren spezifische Sonderformen. Die perniziöse Anämie entsteht durch eine gestörte Aufnahme von Vitamin B12 infolge eines Mangels an Intrinsic-Faktor. Bei der hämolytischen Anämie zerfallen die roten Blutkörperchen vorzeitig. Eine besondere Form ist die Sichelzellenanämie, eine erblich bedingte Störung, bei der sich die Erythrozyten sichelförmig verformen und leichter zerstört werden. Eine weitere Form ist die seltene aplastische Anämie, die durch eine eingeschränkte Blutbildung im Knochenmark verursacht wird. Ebenso kann eine renale Anämie im Rahmen chronischer Nierenerkrankungen auftreten, da die Bildung des wichtigen blutbildenden Hormons Erythropoetin vermindert ist.
Die Ursachen einer Anämie lassen sich grundsätzlich drei Hauptmechanismen zuordnen: Blutverlust, verminderte Neubildung oder verstärkter Abbau roter Blutkörperchen, wobei jeweils vielfältige Einzelfaktoren eine Rolle spielen.
Ein häufiger Auslöser ist der Verlust von Blut, der sowohl akut als auch schleichend erfolgen kann. Während Verletzungen oder Operationen zu plötzlichem Blutverlust führen, entwickeln sich chronische Blutungen oft unbemerkt, etwa durch Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt oder durch langanhaltend starke Menstruationen. Solche anhaltenden Verluste führen häufig zu einem Eisenmangel, der die Hämoglobinbildung beeinträchtigt.
Ein weiterer Ursprung liegt in der unzureichenden Produktion roter Blutkörperchen im Knochenmark. Für eine funktionierende Blutbildung sind neben Eisen auch Vitamin B12, Folsäure, Spurenelemente wie Kupfer sowie das Hormon Erythropoetin notwendig. Mängel oder Stoffwechselstörungen können dazu führen, dass zu wenige oder fehlerhafte Erythrozyten entstehen. Auch chronisch-entzündliche Erkrankungen, Infektionen oder Tumore können diesen Prozess hemmen, ebenso wie Erkrankungen des Knochenmarks, beispielsweise Leukämie oder Metastasen.
Darüber hinaus kann eine Anämie entstehen, wenn die roten Blutkörperchen vorzeitig zerstört werden – ein Vorgang, der als Hämolyse bezeichnet wird. Diese Form tritt bei erblichen Störungen wie der Sichelzellenanämie oder den Thalassemien auf, aber auch infolge von Autoimmunreaktionen, Infektionen wie Malaria, der Einnahme bestimmter Medikamente oder der Einwirkung toxischer Substanzen. Wenn der Abbau schneller verläuft als die Neubildung, kommt es zur Blutarmut.
Neben diesen Hauptursachen gibt es weitere Einflussfaktoren: ein Mangel an bestimmten Vitaminen, insbesondere an Vitamin B12, Folsäure, Riboflavin und Vitamin A, kann die Blutbildung beispielsweise negativ beeinflussen. Auch genetische Erkrankungen, angeborene Syndrome wie die Fanconi-Anämie sowie chronische Infektionen und systemische Krankheiten wie Tuberkulose oder HIV können ursächlich sein. In vielen Fällen wirken mehrere dieser Faktoren gleichzeitig zusammen.
Bei einer Anämie können ganz unterschiedliche Beschwerden entstehen, die unter anderem darauf zurückzuführen sind, dass das Gewebe nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Typische Anzeichen sind anhaltende Müdigkeit, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Konzentrationsprobleme, Atemnot bereits bei geringer Anstrengung sowie das Gefühl von Herzrasen und Ohrgeräusche. Häufig sind Haut, Lippen oder Schleimhäute auffallend blass. In manchen Fällen ist zudem eine gerötete, glatte Zunge zu beobachten.
Zusätzlich können bei bestimmten Formen der Anämie spezifische Symptome auftreten. So können bei einem Eisenmangel brüchige Nägel, eingerissene Mundwinkel oder entzündete Schleimhäute auftreten. Ein Vitamin-B12-Mangel kann mit Zungenbrennen, Verdauungsproblemen, Appetitlosigkeit oder auch mit neurologischen Auffälligkeiten wie Taubheitsgefühlen oder Gedächtnislücken einhergehen. Bei inneren Blutungen kann sich die Anämie durch blutigen oder schwarz verfärbten Stuhl äussern, begleitet von Kreislaufbeschwerden, niedrigem Blutdruck und beschleunigtem Herzschlag. In anderen Fällen, etwa bei einem gesteigerten Abbau roter Blutkörperchen, können Gelbsucht oder dunkler Urin Hinweise liefern.
Eine Anämie gilt als bedenklich, wenn die Hämoglobinwerte deutlich absinken. Bei Männern liegt dieser Wert bei unter 13 g/dL, bei Frauen bei unter 12 g/dL. Gefährlich wird es jedoch erst, wenn die Konzentration auf unter 7.0 g/dL fällt, da das Risiko für ernsthafte gesundheitliche Folgen wie Organschäden oder Herzversagen in diesem Bereich deutlich ansteigt. Werte unter 6.5 g/dL sind kritisch und machen in der Regel eine sofortige medizinische Behandlung erforderlich.
Anämie tritt bevorzugt in bestimmten Lebensphasen oder bei besonderen gesundheitlichen Voraussetzungen auf. Zu den besonders anfälligen Gruppen zählen Frauen während der Schwangerschaft oder Stillzeit, da ihr Organismus in dieser Zeit deutlich mehr Eisen benötigt. Auch Kinder und Jugendliche im Wachstum sind gefährdet, insbesondere, wenn ihre Ernährung nicht ausreichend Mikronährstoffe liefert.
Im höheren Lebensalter kommt es häufig zu Problemen bei der Aufnahme von Eisen und Vitaminen, wodurch sich das Risiko für Blutarmut erhöht. Ebenso entwickeln Menschen mit chronischen Leiden, wie Entzündungen, Tumorerkrankungen oder Nierenfunktionsstörungen, häufig eine Anämie, da die Krankheitsprozesse die Blutbildung oder die Verwertung lebenswichtiger Substanzen direkt beeinträchtigen können. Zudem haben sportlich sehr aktive Personen einen erhöhten Bedarf an blutbildenden Nährstoffen. Wird dieser Bedarf nicht gedeckt, kann es ebenfalls zu einer Unterversorgung kommen.
Wird eine Anämie früh erkannt, können Patienten durch eine gezielte Auswahl ihrer Nahrung, stabile Eisenspeicher sowie die Förderung der Bildung von Blutzellen und von Blutfarbstoff (Hämoglobin) zur Verbesserung ihrer Blutwerte beitragen. Achten Sie bei sinkender Hämoglobinkonzentration auf Warnsignale Ihres Körpers und holen Sie ärztlichen Rat ein.


